Er wusste nicht, wie lange er schon so fühlte. Er hatte nicht direkt erkannt, was diese Gefühle bedeuteten. Sie waren neu für ihn. Noch nie hatte er sich so gefühlt. Die ganze Zeit hatte er gedacht, es wäre nur vorübergehend gewesen, doch er hatte sich geirrt. Als er endlich die Liebe erkannt hatte, wusste er nicht, wie er es ihr hätte sagen sollen. Er wollte es für sich behalten. Schon seit Wochen schleppte er dieses Geheimnis mit sich herum.
Jedes Mal wenn er sie sah, schlug sein Herz schneller. Er konnte es nicht verhindern. Er wollte es auch nicht. Zu gern hätte er ihr es gesagt, aber seine Angst vor einer Ablehnung war zu groß. Er wollte den richtigen Zeitpunkt abpassen und bis dahin blieb ihm nichts anderes übrig, als mit seinen Gefühlen zu leben. Aber er konnte sie immer noch heimlich beobachten. Er suchte immer wieder ihre Nähe, da er es genoss in ihrer Nähe zu sein. Natürlich hatte er immer einen guten Grund in ihrem Büro aufzutauchen, schließlich wollte er nicht auffallen.
Jede ihrer Bewegung studierte er ganz genau. Jede Kleinigkeit war ihm aufgefallen und er hatte sie lieben gelernt. Sie versuchte immer ihre Haarsträhnen hinter den Ohren zu verstecken, doch sie waren zu kurz und fielen immer wieder zurück in ihr Gesicht. Wenn sie nervös war, klopfte sie mit den Fingern auf den Tisch, aber es störte ihn nicht. Ihre Stimme klang wie eine sanfte Melodie in seinen Ohren. Auch gerade verfolgte er jede ihrer Bewegungen.
"Wie jeder weiß ist in wenigen Tagen Weihnachten.", eröffnete Elisabeth die Besprechung. "Ich halte eine kleine Feier für angebracht. Wir haben in den letzten Monaten hart für den Erfolg dieser Expedition gearbeitet. Es wird allen gut tun etwas zu entspannen. Vielleicht können wir die Stadt dementsprechend herrichten." Ihr Vorschlag kam bei allen gut an.
"Wir könnten einen Baum vom Festland in der Halle plazieren.", schlug John vor."Schöne Idee. Kümmern Sie sich darum."
"Ich würde mich gerne um das Festessen kümmern. So kann ich wenigstens sicher sein, dass sich keine Limone darin befindet.", sagte Rodney, was allgemein ein Lächeln hervorrief.
"Damit wäre alles gesagt. Feiern wir Weihnachten."
Solange hatte er auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Vielleicht war er nun gekommen. Das Fest bot ihm eine gute Chance. War Weihnachten nicht das Fest der Liebe? Demnächst wurden vielleicht seine tiefsten Träume wahr. Er würde es ihr sagen. Er hatte es lang genug für sich behalten.
***Unbemerkt hatte er sich in Elisabeths Büro geschlichen. Er hatte extra gewartet, bis sie es verlassen hatte. Da er sich sehr oft in ihrem Büro aufhielt, hatten die anderen Crewmitglieder im Kontrollraum ihn gar nicht beachtet. Er versicherte sich noch einmal, dass niemand hinschaute und stellte eine kleines Paket auf ihren Schreibtisch ab. Er hatte eine blaue Schleife darum gebunden, da er wusste, dass Blau ihre Lieblingsfarbe war.
Schnellen Schrittes verließ er den Raum wieder, denn Elisabeth verließ nur selten länger ihr Büro. Innerlich musste er lächeln. Der erste Schritt war getan. Hoffentlich gefiel ihr sein Geschenk. Er hatte lange überlegt, ob es das Richtige war. Es sollte etwas Persönliches sein. Und er hatte eine gute Wahl getroffen.
***
Völlig vertieft in einen Bericht, betrat Elisabeth ihr Büro. Obwohl die meisten mit den Vorbereitungen für das Fest beschäftigt waren, wollte sie die Arbeit nicht schleifen lassen. Sie ließ sich in ihren Stuhl fallen und erst jetzt sah sie das kleine Paket das auf ihrem Tisch stand. Überrascht legte sie den Bericht zur Seite und betrachtete das Paket.
Sofort fiel ihr die blaue Schleife auf, mit der das Paket liebevoll umwickelt war. Sie drehte es vorsichtig und suchte nach einer Karte. Doch es gab keinen Hinweis auf einen Absender. Es war sehr geheimnisvoll. Neugierig öffnete sie es. Als sie hinein schaute, hielt sie den Atem an.
Es befand sich ein hellbraunes Lederarmband im Paket. Vorsichtig holte sie es heraus. Es war mit bunten Perlen verziert, die ein Muster ergaben. Es war sehr schön und es gefiel ihr. Elisabeth erkannte die Arbeit. Einer der Athosianer musste es gemacht haben. Nur sie waren in der Lage, kleine Feinheiten so genau auszuarbeiten.
Elisabeth legte es um ihr rechtes Handgelenk. Wieder fragte sie sich, wer ihr dies geschenkt haben könnte. Ihre Neugierde war geweckt.
***
Elisabeth hatte sich zum Festland fliegen lassen. Sie hatte es sich nehmen lassen die Athosianer zu ihrer Weihnachtsfeier persönlich einzuladen. Aber ihr Besuch auf dem Festland hatte noch einen anderen Hintergrund. Sie hoffte herauszufinden, wer ihr das Armband geschenkt hatte. Nach einiger Zeit des Suchens fand sie endlich Halling. Er wusste immer, was sich in seinem Dorf abspielte.
"Es ist uns eine Ehre an dem Fest teilzunehmen, Dr. Weir. Ich habe schon von dieser Tradition gehört und freue mich darauf sie besser kennen zu lernen.", sagte Halling freudig, als sie ihn und sein Volk einlud.
"Das freut mich zu hören." Elisabeth stoppte. Sie wusste nicht, wie sie fortfahren sollte. "Halling, ich brauchte Ihre Hilfe. Jemand hat mir das hier geschenkt." Sie hielt ihm ihren Arm hin und zeigte ihm das Armband. Sie wusste nicht warum, aber sie wollte es nicht mehr ablegen.
"Ich kenne es. Es ist sehr schön. Armbänder haben bei uns eine alte Tradition. Ich habe meiner Frau auch eins geschenkt. Es zeigt, wie viel der andere einem bedeutet. Wenn man es verschenkt, ist man sich seinen Gefühlen sehr sicher." Elisabeth hatte gebannt seinen Worten gefolgt. Die Bedeutung des Armbandes war ihr neu.
"Wissen Sie, wer es mir geschenkt hat?", fragte sie neugierig. Halling lächelte sie an.
"Gut möglich. Aber ich habe ihm versprochen nichts zu verraten. Sie müssen es alleine herausfinden. Aber ich kann Ihnen sagen, dass er es wirklich ernst meint. Das habe ich gespürt." Elisabeth wusste, dass er sein Versprechen dem Unbekannten gegenüber einhalten und ihr nichts sagen würde. Doch sie hatte mehr herausgefunden, als sie gedacht hatte. Das Armband gewann immer mehr Bedeutung.
***
Zurück in Atlantis ging Elisabeth direkt in ihr Quartier. In ihrem Büro konnte sie nicht nachdenken. Alle waren damit beschäftigt die Halle für die Feier vorzubereiten. Obwohl es viel Arbeit war, beschwerte sich keiner. Mittlerweile hingen überall Tannenzweige und es roch angenehm nach Baumharz. Weihnachtsstimmung machte sich breit. Gedankenverloren spielte Elisabeth mit ihrem Armband herum. Immer wieder dachte sie an Hallings Worte. Er hatte von einem Unbekannten mit ehrlichen Gefühlen für sie gesprochen. Das Armband wurde bedacht ausgewählt. Es könnte jeder sein. So sehr sie es auch versuchte, niemand fiel ihr ein. Keiner hatte sich in letzter Zeit seltsam ihr gegenüber verhalten.
Elisabeth dachte an Rodney. Sofort verwarf sie den Gedanken wieder. Er konnte es unmöglich sein. Es war nicht seine Art. Außerdem hatte sie bemerkt, dass er immer errötete sobald sich Kate Heighmeyer in seiner Nähe aufhielt. Sie musste lächeln. Rodney war nicht besonders gut in diesen Dingen. Wahrscheinlich war er sich selber nicht über sein Verhalten im Klaren. Amüsiert dachte sie, an ein Zusammentreffen zwischen Kate und Rodney. Sie hatte gerade mit Rodney zu Mittag gegessen, als Kate ebenfalls die Kantine betreten hatte. Rodney hatte sich vor Aufregung an seinem Essen verschluckt und hatte den Raum rennend verlassen.
Ihre Gedanken wanderten weiter zu John. Was, wenn er es war? Sie hatte schon oft über ihn nachgedacht. Oft hatte sie sich dabei ertappt, wie sie ihn heimlich beobachtet hatte. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. John war anders als die Männer, die sie bisher kannte. Sie wusste nicht, woran es lag, aber er faszinierte sie. Gleich bei der ersten Begegnung hatte sie sich anders gefühlt. Sein starkes Auftreten, seine schlagkräftigen Antworten, nicht jeder konnte das. Mit der Zeit hatte sie immer mehr an ihm entdeckt, was ihr gefiel.
Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken , dass er es wirklich war. Doch ihre eigenen Gedanken schockierten sie. Was war nur mit ihr los? Wer auch immer ihr dieses Armband geschenkt hatte, hatte sie durcheinander gebracht. Aber irgendwann würde er sich zeigen.
***
Er hatte gesehen, wie Elisabeth ihr Büro verlassen hatte. Immer wieder hatte er ihr Blicke durch die Glasscheiben zugeworfen und ihre Blicke hatten sich mehrmals gekreuzt, aber ihr war nichts aufgefallen. Er wusste, dass sie auf dem Festland gewesen war. Insgeheim fragte er sich, ob Halling sein Versprechen eingehalten hatte. Aber er vertraute ihm voll und ganz. Außerdem hätte Elisabeth sich sonst etwas anmerken lassen. Aber sie verhielt sich ganz normal.
Mit Freude hatte er entdeckt, dass sie sein Armband trug. Es war ihr also nicht egal. Seine Befürchtungen, dass sie es ablehnen würde, hatten sich nicht erfüllt. Für ihn gab es nun kein Zurück mehr. Weihnachten würde er es ihr sagen.
***
Die Feier war im vollem Gange und ein voller Erfolg. Die Stimmung war sehr ausgelassen. Einige unterhielten sich in kleinen Gruppen, andere hatten die Halle in eine Tanzfläche verwandelt. Das Büfett bot das Beste, was die Vorräte hergaben. Natürlich hatte Rodney darauf geachtet, dass sich keine Limonen oder Kiwi darin befanden.
Die Feier hatte genau den richtigen Effekt. Elisabeth wusste, wie wichtig sie für die Crew war. Für jeden war es schwer in einer neuen Galaxie zu leben. In ständiger Gefahr, nicht zu wissen wie die Zukunft aussah und ein Leben ohne seine Familie zu führen, war nicht einfach. Besonders nicht an einem Tag wie Weihnachten. Der Tag, an dem die Familie zusammen war, aber sie waren mit der Zeit auch zu einer großen Familie geworden.
"Auf jeden Fall sprang die Katze in den Baum, woraufhin der Baum ins Schwanken geriet und..." Elisabeth verfolgte amüsiert Rodneys Erzählung. Um sie herum hatten sich mehrere Leute versammelt und lachten herzlich als Rodney endete.
Elisabeth ließ ihren Blick durch die Halle gleiten. Es freute sie, dass sich alle amüsierten. Doch irgendwie schaffte sie es nicht, es ihnen gleich zu tun. Ihre Gedanken kreisten immer noch um das Armband. Sie war keinen Schritt vorangekommen, was die Identität des Unbekannten anging. Aufmerksam beobachtete sie jeden einzelnen. Doch niemand beachtete sie. Enttäuscht verließ sie die Halle und ging auf den Balkon. Sie wusste nicht warum, aber wollte für einen Moment der Feier entkommen.
***
Er hatte gesehen, wie Elisabeth sich in der Halle umgeschaut hatte. Geschickt war er ihren Blicken ausgewichen. Als sie den Raum verließ, machte er Anstalten ihr zu folgen. Wenn sie alleine waren, hatte er vielleicht eine Chance mit ihr zu reden.
Er blieb vor der geschlossenen Tür stehen. Plötzlich war er sich nicht mehr sicher. Was war, wenn sie alleine sein wollte. Sei kein Feigling. Er hatte solange auf diesen Moment gewartet und nun war er gekommen. Er atmete noch einmal tief durch und betrat den Balkon. Elisabeth drehte sich um, als sich die Tür öffnete.
"Hey John.", begrüßte sie ihn. Es überraschte sie ihn hier zu sehen."Ich habe gesehen, wie Sie die Party verlassen haben. Ist alles in Ordnung?" …John wollte nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen. Erst wollte er sicher gehen, dass er sie nicht störte.
"Danke, aber ich wollte nur etwas Luft schnappen. Es ist schön hier draussen." Er wusste was sie meinte. Die Aussicht war nachts atemberaubend. Die Lichter der Stadt spiegelten sich im Wasser und die Sterne standen hell am Himmel.
"Sie tragen das Armband." Jetzt war es raus. Für einen Moment reagierte Elisabeth nicht, doch dann drehte sie sich überrascht zu ihm um.
"Sie? Ich..." Sie sprach nicht weiter. Offensichtlich hatte er sie völlig überrumpelt. Ihre Gedanken rasten. So lange hatte sie sich gefragt, wer der Unbekannte war, wollte es unbedingt wissen. Aber jetzt hatte John sie aus dem Konzept gebracht. Nun wusste sie nicht, was sie sagen sollte. "Bitte, hören Sie mir zu. Ich..." Aber auch John verließ auf einmal der Mut. "Es ist verrückt. Als ich es geübt habe, hat es sich besser angehört.", sagte er verlegen. Elisabeth hatte den Kopf gesenkt. "Ich hätte nichts sagen sollen. Wissen Sie was, vergessen Sie es." John drehte sich um und wollte gehen. "Ich will es nicht vergessen.", sagte sie, als er ihr den Rücken zugedreht hatte. John stoppte und drehte sich wieder zu ihr um. Zum ersten Mal schauten sie sich direkt in die Augen. "Wie lange schon?"
"Eine Ewigkeit. Ich hatte große Angst davor es Ihnen zu sagen. Es tut mir Leid, dass ich Sie in diese Situation gebracht habe." Bevor John noch etwas sagen konnte, griff sie nach seiner Hand. Ihre eigene Reaktion überraschte sie. Sie wusste nicht, was sie dazu bewegt hatte seine Hand zu nehmen. Sie konnte es nicht verhindern, wollte es auch nicht.
Langsam kam er ihrem Gesicht immer näher. Als sich ihre Lippen berühren, schloss sie die Augen. Zuerst erwiderte sie den Kuss nicht, doch dann ließ sie es zu. Nach einem kurzen Moment lösten sie sich wieder.
"Wow.", entfuhr es John. Damit hatte er nun nicht gerechnet. Elisabeth guckte ihn verlegen an. "Wieso...?"
"Das Armband hat mich nachdenklich gemacht. Ich habe erkannt, was wirklich wichtig ist. Irgendwie hatte ich gehofft, dass du es bist." John strahlte sie glücklich an. Die ganze Anspannung war von ihm abgefallen.
"Sieh mal." John deutete in den Himmel. Hoch über der Stadt ging eine Sternschuppe runter. Ihr Schweif zog sich genau über ihnen. "Das ist ein gutes Zeichen." Elisabeth drückte seine Hand. Gemeinsam beobachteten sie die Sterne.